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19 Morghirolo

Höhe: 1072 m
Dauer: 4 Stunden

In munterer Gesellschaft

Die Piumogna: Sie bildet den einmaligen Rahmen dieser Wanderung, schmückt sie, untermalt sie rauschend und ist ihr steter Begleiter. Sie ist während des ganzen Ausfluges, den sie zu einem unvergesslichen, einzigartigen Erlebnis werden lässt, gegenwärtig - ganz nah oder etwas entfernt - mit ihrem Wasser, das eiligst talwärts stürzt, als ob es kaum den Augenblick erwarten könnte, sich vor Faido in einen der schönsten Wasserfälle der Schweiz zu verwandeln. Trotz dieser grossen Eile, die sich sicher ist, mit Bewunderung belohnt zu werden, nimmt sich die Piumogna für zahlreiche andere, weniger imposante, aber nicht minder faszinierende Vorstellungen Zeit. Diese sind von einem zarten Hauch sanfter, zauberhafter Nuancen, phnatasiereicher Momente und Augenblicke durchtränkt, die in ihrer ausserordentlichen Intensität nicht etwa nach Beifall heischen, sondern ganz einfach den Lauf eines Wassers schildern, das vom Rinnsal zum Wildbach und schliesslich beinahe zum Fluss wird. Die Wanderung lässt einen diese Verwandlung in umgekehrter Folge erleben: eine Entdeckung voller Magie, die zum Ursprung einer Quelle inmitten einer Natur führt, die zärtlich von den Worten Lucio Maris im "Canto del giovanetto ticinese" aus dem Jahre 1868 umarmt wird.

Die Piumogna ist auch während der ganzen Wanderung zu hören. Sie summt und lacht leise vor sich hin, hinterfragt und antwortet, murmelt und seufzt, erzählt und tut in vergnügtem Spiel so, als verirrte sie sich oder als hielte sie inne, als würde sie verschwinden oder plötzlich umkehren. An gewissen Stellen teilt sie sich nach Lust und Laune, und auf der entstandenen Insel wächst das Gras so hoch, als rechnete es mit einer Überschwemmung und wollte über diese hinaus weiterhin das Tageslicht einatmen. An anderen Stellen wiederum wird die Piumogna schlagartig breiter, färbt dabei Stein und Fels und hellt Weiden auf oder aber verengt sich und ändert Farbe und Stimme (wenn sie sich mühevoll zwischen zwei Steinblöcken hindurchzwängt, wird sie so weiss, als würde die Reibung ihr ganzes Blau und dessen sämtliche Abstufungen auspressen und lediglich jene milchige Substanz übriglassen, die sie auf das rein chemische Element reduziert).

Die umliegende Landschaft beherbergt in ihrer Weite Schneefelder (abgewetzte, gegen den Berg hingelegte Teppiche, die Gott weiss was versteckt halten), die Alp (mit ihrem Kennzeichen, dem Kreuz, das Schutz vor Blitzen bietet), Steinfelder, ein Biotop (mit seinen Bergmolchen und seinem Wollgras - fliegende Wattebäusche, die sich in den im Schlamm steckenden, zu Fallen gewordenen Stielen verfangen haben) und nicht zuletzt die Gletscher (bei deren blossem Anblick sich die Luft abkühlt). Das Szenario des Morghirolo schliesslich konzentriert sich auf eine rohe und gedrängte Parade von Bergspitzen und Bergkämmen, an denen der Blick unwillkürlich haften bleibt, bevor er weiter zum See hinunter schweift, auf den auch Steinfelder und Wiesen zueilen und darum wetteifern, als erste seine Oberfläche berühren zu können.

Die eine Seite des Ufers wird von zyklopischen Gesteinsbrocken gezäunt, die andere vom Gras, das im Morghirolo wundervolle Lichtpuzzles bildet, die sich von Stunde zu Stunde verändern.
Damit reicht die Farbpalette des Morghirolo von grau bis grün, wobei ersteres, obschon in perfekter Harmonie mit dem Grau der umliegenden Felsen, nicht die Mannigfaltigkeit des Grüns besitzt, das sich in hundert Variationen - auf und unter dem Wasser - offenbart: im Grün des Morgengrauens (schwarze Fransen), des Windes (zitternde Silberziselierungen) oder etwa des Zenits (der mit seinem starken Funkeln die Fische fernhält). Der letzte Schnee scheint diesen wundersam stillen Ort absichtlich ausgewählt zu haben, um in Frieden den nächsten abzuwarten. Wenn das Licht allmählich schwächer und der Morghirolo kleiner wird, breitet sich die Stille besonders dort aus, wo das Ufer ein kleines Delta bildet, das mit seinen Blumen, seinem Gras und dem Sand zwischen den schnittigen Bergkanten eine sanfte Welt für sich ist: Blumen von solcher Zartheit, die ein einziger Pfiff eines Murmeltiers zu zerbrechen droht; Gras, das ins Wasser tritt und sich im Rhythmus der Wellen bewegt, ohne von ihnen zerdrückt zu werden; und hell funkelnder Sand.

Von langer Dauer sind im Morghirolo die als Silhouetten projizierten Schatten der Bergspitzen, die in diesen abstrakten Kopien sogar kleiner als ihre echten Spiegelbilder sind. Dieser Kontrast gehört zu einem Schauspiel, in dem das Wasser glanzvoller Hauptdarsteller inmitten von Fels und Gletschern ist, von denen es ohne grosse Mühe erdrückt werden könnte. Dadurch, dass sie allerdings seinen Rahmen bilden, lassen sie es erst recht zur Geltung kommen und erscheinen letztlich auch selbst viel schöner. Die Begeisterung seitens der Teilnehmer der vom Tessiner Alpenclub im August 1894 durchgeführten Wanderung erhält damit ihre volle Berechtigung, sangen sie doch, am Ziel angelangt, im Chor, es möge jedermann zum Tencia, dem stolzen Belvedere der Tessiner Alpen zwischen Val Lavizzara und Valle Leventina kommen!