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14 Crosa

Höhe: 1456 m
Dauer: 5 Stunden

Das Steinblocktal

Während dreier Monate im Jahr liegt Foroglio im Schatten, doch wenn die Sonne dann hervorkommt, lässt sie alles in festlichem Glanz erstrahlen. So auch den berühmten Wasserfall, der von jedem Wanderer, dessen Weg an ihm vorbeiführt, bewundert wird. Wenn sein herunterstürzendes, schäumendes Wasser die ersten Sonnenstrahlen bespritzt und sie silbern aufleuchten lässt, scheint es, als wolle er für einen Augenblick innehalten, um das magische Schauspiel in seiner Einzigartigkeit festhalten zu können. Weiter führt der Weg über eine schmale, zwischen steil abfallenden Felswänden eingeklemmte Treppe zur Kapelle des heiligen Salvatore, deren Säulengang vor Sturm und Regen Schutz bietet. Bald darauf stösst man auf die Steinbrücke von Puntid, die über den Bach führt, bevor dieser zum Wasserfall wird, sich von einem Strudel zum anderen durch den Felsen frisst und hinter sich einen silbrigen Schleier zurücklässt. Der Fels ist in der Val Calnégia unersetzbare Hauptfigur der Geschichte, in deren Verlauf die Menschen stets ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt haben, in harter, unermüdlicher Arbeit die Natur zu bändigen. Gerade hier, wo das Wasser am nötigsten wäre, hat diese den Bach plötzlich verschwinden lassen, um ihn unterirdisch weiterfliessen zu lassen. Dabei legt er einen hohlen Weg zurück, aus dessen Öffnungen bei kaltem Wetter ein warmer Hauch entsteigt, als kündige er damit den Frühling an - dem Eis zum Trotz, das noch auf den Brettern liegt, auf denen die Köhler bei ihren Verschnaufpausen ihre Tragkörbe stellten.

Danach führt der Weg diesem eigentümlich vor sich hin murmelnden Fluss entlang. Man hat Mühe, sich ihn in seiner ganzen verwüstenden Wut vorzustellen und sich an die Hochwasser zu erinnern, so sanft zeigt er sich, wenn er wieder an der Erdoberfläche erscheint, als ob ihn die heruntergestürzten und wie Meteoriten zwischen die Häuser von Gerra eingeschlagenen Felsblöcke erschrecken würden.

Gerra auf der anderen Flussseite ist wegen seiner Eigenart eine Verschnaufpause wert. Seine Häuser erscheinen zwischen den riesigen Felsblöcken, denen sie jedoch mutig trotzen, noch viel kleiner, als sie es bereits sind. Man gewinnt allerdings den Eindruck, als wären sie deren Komplizen und würden sie als Schutzdach vor dem Regen benützen. Die Felsblöcke dienen als Wohnhäuser, Lagerschuppen, Ställe oder Keller. Steigt man in die frischeste "crasta" (Spalt) der Valle Bavona, kommt es einem vor lauter Dunkelheit so vor, als müsse sich der Felsspalt für immer über einem schliessen. Noch beeindruckender allerdings ist die "splüia bèla" (vom Felsen gebildetes Hausdach) der Familie Dadò: Haus und Stall stehen dort direkt unter diesem Felsendach, dessen Gewicht nur schwer zu schätzen ist. Man erreicht es, wenn man von Puntid aus dem linken Ufer entlang flussaufwärts geht und dann den Calnégia wieder überquert. Ein Umweg, den zu machen es sich auf alle Fälle lohnt, auch wenn man danach den Schritt etwas beschleunigen muss, um zu den noch weit entfernten und mühsam zu erreichenden Crosa-Seen zu gelangen.

Man klettert den Weg hoch, in Gedanken an all die Bergbewohner, die wohl unzählige Male mit allerlei Lasten auf dem Rücken zum Mött und weiter hinauf gestiegen sind, indem sie den zu Hunderten von Eugenio Zanini eingeritzten Kerben folgten; dieser scheint wohl damit die Anzahl aller ausgestandenen Qualen festgehalten haben zu wollen.
Zuerst gelangt man zum so genannten kleinen Crosa, auch wenn er es in Wirklichkeit gar nicht ist. Nachdem sein Wasser in eigenartiger Weise fünfhundert Meter in die Tiefe gestürzt ist, sprudelt es dort als Quelle wieder hervor. Diese fünfhundert Meter zum marineblauen See mit seinen senkrecht abfallenden Ufern (es zeichnen sich darin Unterwassertreppen, wie vom Gletscher gemeisselt, ab) kosten viel Schweiss. Die umliegenden Berge scheinen in ihrer Rauheit diesen Hauch von Mittelmeer abstreiten zu wollen, dadurch ist er aber nur noch einzigartiger und überraschender spürbar.

Vielleicht sind die Ufer der grossen Crosa gerade aus diesem Grund weniger felsig und bilden keine allzu grossen Kontraste zum Inhalt des Sees, der wohl weniger imposant, aber nicht weniger malerisch ist als der kleinere. Seine zahlreichen Farbtöne treten in den verschiedensten Nuancen auf, was bei manch einem den Verdacht aufkommen lässt, er gäbe an den kleinen Crosa einzig das Wasser ab, das nach der Färbung seinem eigenen Geschmack nicht mehr entspricht. Beide Seen eignen sich vorzüglich für den Fischfang. Die Berghütte, die zu diesem Zweck gebaut worden ist, scheint das Geschehen genau zu überwachen, das Zucken und die Schatten der Fische mitzuverfolgen und die Fischer zu mustern. Die Einzigartigkeit des Fischens in den Crosa-Seen liegt in der ausgesprochenen Stille, welche die Fischer umhüllt. Um keinen Preis würden diese ihren Platz mit denjenigen tauschen, die in Foroglio das von den beiden Crosa herunterfliessende Wasser fotografieren, das übrigens dort, wo es zum Wasserfall wird, vom Dichter Silvio Fiori aus Locarno als "schön, stark und verliebt, immer seiner Arbeit hingegeben, immer sein melodisches Lied singend" gepriesen worden ist.