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Ich werde darauf hinarbeiten, dass Südbünden nicht vergessen wird

28.08.2017

SüdOst Schweiz, 28.8.2017

FDP-Bundesratskandidat Ignazio Cassis sieht sich als klassischer Vertreter der Italianità. Dabei liegt ihm besonders das wirtschaftliche Wohlergehen der italienischsprachigen Bündnerinnen und Bündner am Herzen. Das sagt er im Interview.

Mit FDP-Nationalrat Ignazio Cassis sprach Dario Morandi

Falls er in den Bundesrat gewählt werden sollte, will Ignazio Cassis ein besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse der Italianità legen. Auch werde er sich für Strukturverbesserungen in den Bündner Südtälern einsetzen, verspricht der Bundesratskandidat der Tessiner FDP. Cassis war am Sonntag in Chur bei der Pro Grigione Italiano (PGI) zu Gast.

Herr Nationalrat Cassis, Sie haben jüngst erklärt, dass Sie im Falle einer Wahl ein Bundesrat für die ganze Italianità sein werden.

IGNAZIO CASSIS: Primär möchte ich ein Bundesrat für die ganze Schweiz sein. Aber mit einem besonderen Augenmerk für die Italianità. Dafür bringe ich die entsprechende kulturelle und sprachliche Sensibilität mit. Damit wären wir bei der Verfassung: Diese sieht vor, dass auf politischer Ebene Rücksicht auf die Sprachregionen genommen werden muss. Trotzdem haben wir keinen Vertreter der Italianità im Bundesrat.

Mit anderen Worten: La Svizzera italiana wird Ihrer Meinung nach auf Bundesebene vernachlässigt.

Wie gesagt, es gibt sie gar nicht im Bundesrat. Dies, obwohl Italianità mehr ist, als bloss Kenntnisse der italienischen Sprache zu haben. Die beiden Dinge werden oft verwechselt. Ein Beispiel: Ich spreche in diesem Interview Deutsch mit Ihnen. Deshalb würde ich aber nie behaupten, ich sei bloss wegen meiner Sprachkenntnisse in der Lage, den Kanton Zürich im Bundesrat zu vertreten.

Und was ist mit den Bündner Südtälern – werde Sie im Bundesrat deren Bedürfnisse ebenso gut vertreten, wie jene Ihres Heimatkantons?

Nochmals: Ich werde in Bern die ganze Schweizer Italianità vertreten. Dabei geht es nicht um eine kantonale Angelegenheit. Es geht vielmehr um ein ganzes Sprachgebiet. Und damit meine ich nicht nur die Sprache, da gibt es eine wesentlich breitere Perspektive.

Was meinen Sie damit konkret?

Es geht dabei ausserdem um die Mentalität, die Kultur und letztlich auch der Humor, die dahinter stehen. Das Ganze variiert selbstverständlich in Tessin wie in den bündner Südtäler. Im Vergleich mit der Deutschschweiz hat die italienische Schweiz jedoch – über alles gesehen – mehr Gemeinsamkeiten.

Die Menschen im Bergell, Puschlav und im Misox fühlen sich nicht zuletzt aufgrund der geografischen Lage und den Strukturproblemen benachteiligt. Können Sie das nachvollziehen?

Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Als Tessiner weiss ich, was es heisst, einer Minderheit anzugehören. Das Problem bei den Bündner Südtälern ist, dass sie eine Minderheit in der Minderheit sind. Ich ärgere mich immer wieder darüber, dass die Deutschschweizer die Italianità mit dem Tessin gleichsetzen.

Das wird, wie kürzlich in der «Südost-schweiz am Wochenende» zu lesen war, in Südbünden auch so wahrgenommen.

Das ist in der Tat so und ich kann mir gut vorstellen, dass die Bündnerinnen und Bündner deswegen beleidigt sind. Das dürfen sie auch.

Aber die Tessinerinnen und Tessiner tun ja dasselbe: Wenn sie von der italienischen Schweiz sprechen, meinen sie in der Regel sich selber. Über die Bündner Südtäler wird keine Silbe verloren.

Sie haben Recht: Wenn die Tessinerinnen und Tessiner von der Italianità sprechen, agieren sie manchmal etwas egozentrisch. Es ist nun mal so, dass die Hälfte der rund 700000 italienisch-sprachigen Schweizerinnen und Schweizer gar nicht im Kanton Tessin wohnt. Genau deshalb ist es falsch, wenn man die Italianità allein auf den Kanton Tessin reduziert.

Was würden Sie denn als Bundesrat tun, um die volkswirtschaftlichen Bedingungen für die Bündner Südtäler zu verbessern?

Primär werde ich versuchen, in Bern die Sensibilität für die Anliegen der peripheren Talschaften zu verbessern. Auch werde ich darauf hinarbeiten, dass Südbünden vom Bund in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht nicht vergessen wird.

Wie wollen Sie das angehen?

Beispielsweise durch eine kluge Umsetzung des Sprachgesetzes. Aufgrund dieses Gesetzes  fliessen viele Bundesgelder in die italienisch-sprachigen Bünder Talschaften. Ich könnte mir zudem vorstellen, dass man beim Bund bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen stärker als bisher der Sprachaspekt berücksichtigen könnte.

Man könnte ja in den Grenzräumen, wie etwa im Veltlin, auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Italien intensivieren.

Aussenpolitisch gesehen wäre das selbstverständlich auch eine Möglichkeit. Aber das Verhältnis mit unserem südlichen Nachbarn ist seit einigen Jahren etwas angespannt. Wir haben zwar ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, dass den Grenzgängerinnen und Grenzgängern im Tessin und in den Bündner Südtälern Vorteile bringen würde. Aber es ist noch immer nicht in Kraft gesetzt. Mit einem Vertreter der Italianità im Bundesrat besteht die Chance, dass sich die Schweiz besser mit  Italien vernetzen und zusammenarbeiten könnte.

Was haben Sie bei Ihrem Besuch in Chur der PGI und somit der Bündner Italianità gesagt?

Dass ich meine Wurzeln in der Italianità habe, dass ich im Bundesrat für die italienische Schweiz da sein werde und dass ich deren geografische, kulturelle und sprachliche Besonderheiten in die politische Diskussion auf Bundesebene einbringen werde.

Und wie werden Sie es als Bundesrat mit den Bedürfnissen einer anderen Minderheit halten? Wir sprechen hier von den Rätoromaninnen und Rätoromanen.



Ich halte die Rätoromaninnen und Rätoromanen für die schweizerischsten unter den Schweizern: Das hat einen guten Grund: Die romanische Sprache wird nur in der Schweiz gesprochen. Für diese Minderheit gilt dasselbe wie für die Südbündner oder die Tessiner: Auch die Romaninnen und Romanen dürfen vom Bundesrat nicht vergessen werden.

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Ignazio Cassis

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